Immernoch werden Eltern mit vielen Vorurteilen konfrontiert - von „Experten“, den eigenen Eltern oder Leuten aus dem Bekanntenkreis.
Hier erläutern wir die häufigsten Fragen.
Typische Fragen zum Babytragen - u.a. zu Hüftentwicklung, Bindung, Rückenbelastung
Blog Ratgeber MaMoVerwöhne ich mein Kind durch das Tragen und wird es dadurch unselbstständig?
Ja, du verwöhnst es und nein - es wird nicht unselbstständig :)
Im Gegenteil: Körperkontakt und Nähe sind Grundbedürfnisse wie Essen und Trinken. Babys werden damit im Urvertrauen nachhaltig gestärkt. Daß das Wort „verwöhnen“ im westlichen Kulturkreis im Zusammenhang mit Kindern so negativ besetzt ist, hat damit zu tun, daß Bedürfnisse mit Wünschen verwechselt werden. Das Bild des Babys/Kindes als unfertiges, fehlerbehaftetes Wesen, das von den Erwachsenen erst richtig „hingebogen“ werden muß, geht weit in die Geschichte zurück und kann gesellschaftlich nur langsam überwunden werden (schau mal bei Familienleben einst & heute vorbei, dort gibt es tiefe Einblicke in die Geschichte).
Seit den Erkenntnissen der Bindungstheorie in den 50er und 60er Jahren ist das Bild vom unvollkommenen, zu erziehenden Kind wirklich nicht mehr haltbar und - ja - schlicht falsch.
OK, aber Tragen ist nicht gut für die Entwicklung und den Rücken, oder?
Babys gehören biologisch betrachtet zu den aktiven Traglingen. Sie laufen nicht mit der Mutter mit (Nestflüchter, z.B. Pferde), warten auch nicht geduldig, bis sie wiederkommt (Nesthocker, z.B. die meisten Vogelarten), werden auch nicht im Beutel mitgenommen (passive Traglinge, z.B. Känguruh), sondern halten sich aktiv an der Mutter fest (wie Primaten).
Wer das nicht glaubt, kann anschauen, was Kinderarzt/-ärztin während der „Us“, der regelmäßigen Untersuchungen, unter anderem checken:
- Moro-Reflex: wenn dein Baby sich erschreckt oder plötzlich den Kontakt verliert, breitet es die Arme aus und greift zu, um sich schnell wieder festzuhalten
- Greifreflex: sowohl die Hände als auch Füße „greifen zu“, wenn man über die Innenflächen streicht - auch das, damit sich Baby festhalten kann
- jedes 5. Baby zeigt einen abgeflachten Hinterkopf, der durch die - auch tagsüber - langen Liegezeiten entsteht - Babys sind keine "Liegelinge", sondern Traglinge
- im Hüft-Ultraschall wird geprüft, ob die noch knorpelige Hüfte sich gut entwickelt. Falls es Auffälligkeiten bei der Hüftentwicklung gibt, werden Hüftbeugeschienen verordnet, die Babys Beine in die sog. Anhock-Spreiz-Haltung (ASH) bringen
Was ist diese Anhock-Spreiz-Haltung?
Wenn Babys hochgenommen werden, ziehen sie die Beine von selbst in die ASH an und bereiten sich so auf den Hüftsitz an der tragenden Person vor.
Studien haben gezeigt 1), daß sich in dieser Haltung die Hüftgelenke ideal entwickeln. Denn die knorpeligen Strukturen der Hüftgelenkspfanne brauchen die Stimulation des Hüftgelenkskopfes an den richtigen Stellen. Dann verknöchert das Hüftgelenk ausreichend und ist der Belastung ein Leben lang gewachsen.
1) u.a. Büschelberger 1964: Untersuchungen über Eigenart des Hüftgelenks im Säuglingsalterund ihre Bedeutung für die Pathogenese, Prophylaxe und Therapie der Luxationshüfte
Tragen ist keine Modeerscheinung
Die vielen Anpassungen des Babys spiegeln vielmehr unsere nomadische Stammesgeschichte wider. Alles bei deinem Baby ist darauf ausgelegt, getragen zu werden.
Auch interessant: getragene Babys weinen im Durchschnitt um 43% -51% weniger als nicht getragene Babys 1).
1) Urs A. Hunziker and Ronald G. Barr: Increased carrying reduces infant crying: a randomized controlled trial. Pediatrics. 1986 May;77(5):641-648
Bekommt mein Baby beim Tragen genug Luft?
Ja, die Sauerstoffsättigung ist bei ergonomisch getragenen und nicht getragenen Babys gleich hoch3). Der Atemkanal zwischen Nase und Mund ist schon beim Stillen wichtig und funktioniert auch beim Tragen.
Du solltest allerdings auf ein freies Gesicht und Nase, also auf Luftzufuhr achten und darauf, daß Baby´s Kinn nicht auf seine Brust sinkt (gilt auch für die Babyschale/MaxiCosy). Das stellst du sicher, indem du dein Kind in Tuch oder Tragehilfe fest an dich bindest.
Babys können zudem den Kopf von Geburt an drehen. Das tun sie spätestens, wenn bei steigendem CO2 Gehalt im Blut automatisch eine Aufwachreaktion einsetzt.
3) Stening et al. "Cardiorespiratory Stability of Premature and Term Infants Carried in Infant Slings", 1999
Ab wann kann ich tragen?
Als Mutter solltest du das Wochenbett ernstnehmen und dich nicht zu früh zu hoch belasten.
Mit einer geeigneten Tragehilfe kannst du dein Baby aber grundsätzlich sofort ab Geburt tragen. Aussagen, man müsse erst x Wochen warten, stammen aus einer Zeit, als es noch kaum geeigneten Tragehilfen gab.
Was ist eine geeignete Tragehilfe?
Dein Baby ist darin fest und stabil gestützt und kann dabei die Anhock-Spreiz-Haltung einnehmen. Dein Baby versinkt nicht in der Trage, sondern wird bis etwa in den Nacken gestützt, während das Köpfchen selber frei bleibt, Mund und Nase sind ebenfalls frei.
Auch wichtig: du kommst mit der Trage gut klar, sie ist bequem und gefällt Dir. Du weißt genau, wie du sie anwendest und bist mit den Einstellungen nicht überfordert.
Wie lange darf ich mein Baby tragen?
So lange wie es gefällt. Das gilt sowohl für die Tragedauer pro Tag, als auch für das Alter, bis zu dem du trägst. Müde Kleinkinder können z.B. gut auf dem Rücken getragen werden, auch weit jenseits des 1. Lebensjahres.
Bekomme ich vom Tragen Rückenschmerzen?
Das sollte definitiv nicht passieren. Oft ist die Trage dann nicht gut eingestellt und ziemlich oft zu locker gebunden. Die Belastung der Wirbelsäule wird minimiert, wenn Babys Körperschwerpunkt eng an die Trageperson rückt.
Und: deine Muskulatur wächst mit ihren Aufgaben, also mit dem Gewicht des Babys. Beginnst du früh mit dem Tragen, gewöhnst du dich daran und wirst nebenbei wieder fit. Ein starker Rücken ist zudem weit weniger anfällig für Rückenschmerzen.
Hinzu kommt: Babys werden sowieso getragen. Das Tragen auf dem Arm ist allerdings anstrengender und belastender als wenn das Gewicht gut über Tuch oder Trage in den Körper geleitet wird. Eine gut passende Babytrage reduziert die Belastung.
Kann ich mein Baby auch nach vorn gerichtet tragen?
Der Körperbau von Babys ist auf das zugewandte "Bauch an Bauch" Tragen ausgelegt (s. Grafik weiter oben). Abgewandtes Tragen ist daher nicht generell empfehlenswert. Die Hüftentwicklung wird dadurch nicht positiv gefördert; Schädigungen durch "falsches" tragen sind allerdings auch nicht nachgewiesen.
Ausnahmen bestätigen die Regel und es gibt seltene Fälle, in denen diese Trageweise in Betracht gezogen werden kann (Tragen im Rollstuhl, oder wenn Babys wegen Blockaden oder Geburtstrauma zugewandtes Tragen nicht akzeptieren). Das ist aber selten und im Allgemeinen ist diese Trageposition nicht sinnvoll. Tragen auf dem Rücken oder der Hüfte kann eine gute Alternative für neugierige Babys sein, die mehr sehen wollen.
Ein weiterer Aspekt: beim abgewandten Tragen können sich Babys nicht zurückziehen, wenn sie zu vielen Reizen ausgesetzt sind. Deshalb raten selbst Hersteller von Tragehilfen, die diese Trageposition ermöglichen mittlerweile dazu, nicht mehr als 20 min am Stück so zu tragen. Und auch nur in ruhiger Umgebung.
Manchmal werden Babys auch von Bekannten oder Passanten ungefragt angefasst, was die wenigsten Eltern gut finden. Das ist beim abgewandten Tragen eher möglich, als bei einem eingekuscheltem Baby, das sich anschmiegt.
Wie ziehe ich uns im Winter an?
Trage immer unter deiner Jacke und verwende z.B. eine Jackenerweiterung, um sie zu schließen. Dann genügt bei deinem Baby Hauskleidung mit Mütze, denn ihr wärmt euch gegenseitig. Außerdem kannst du die Jacke schnell ausziehen, wenn ihr in einen warmen Raum kommt und du mußt dein Baby nicht ausziehen.
Wie schütze ich mein Baby im Sommer vor Hitze und Sonne?
Babyhaut ist sehr dünn und darf nur ganz kurz der Sonne ausgesetzt sein. Der Anteil der Sonneneinstrahlung im kurzweligen, energiereichen ultravioletten Bereich ("UV") schädigt schnell. Schützen solltest du in dieser Reihenfolge: Sonne meiden, Sonne abschirmen, Haut eincremen. Babys eincremen ist nicht so schön, angenehmer ist Schutz durch zertifizierte UV Schutz-Textilien mit UPF50+, wie die UV Schutz Decken, Ponchos, Mützen, Hüte u.ä.
Hier findest du alle Infos und Tipps zum Tragen im Sommer